Ob Freizeitaktivitäten, denen man als junger Erwachsener nachgeht, später vor geistigem Verfall schützen können, haben schwedische Forscher nun untersucht. Dabei sind sie auch auf Geschlechterunterschiede gestoßen.
Kaum ein anderes Feld beschäftigt die Forschung so sehr wie der geistige Verfall. Angesichts einer immer älter werdenden Gesellschaft und einer wachsenden Weltbevölkerung steigen die Zahlen der Menschen mit Demenz stark an. Eine wirksame Therapie gibt es bislang nicht. Aber Forscher sagen: Die Zahl derer, die daran erkranken, ließe sich erheblich reduzieren, würden Risikofaktoren konsequent von Kindheit an bekämpft (1).
Bekannt ist zum Beispiel, dass sich mangelnde Bildung, Fettleibigkeit, hoher Blutdruck oder Hörverlust nachteilig auf die geistige Zukunft auswirken. Schon länger gibt es jedoch auch Hinweise darauf, dass sich die Freizeitaktivitäten der Menschen auf ihren geistigen Verfall auswirken könnten. So lassen beispielsweise verschiedene Studien einen schützenden Effekt von sportlichen und kognitiv anregenden Freizeitaktivitäten vermuten. Viele dieser Untersuchungen haben jedoch ein Problem: Ihre kurze Zeitspanne. Die meisten Studien laufen nur über Monate oder wenige Jahre.
Schwedische Forscher haben nun an 340 Zwillingen untersucht, ob die Freizeitaktivität von Menschen im mittleren Alter noch Jahrzehnte später Einfluss auf ihre kognitiven Fähigkeiten haben (2). Die Wissenschaftler um Linda Hassing haben sich auf Aktivitäten konzentriert, denen die Menschen im Alter unter 40 Jahren nachgegangen sind. Außerdem interessierten sich die Forscher für Unterschiede zwischen Männern und Frauen.
Für ihre Studie, die im Journal of Gerontology erschien, arbeiteten sie mit zwei großen Datensets aus einem Register für schwedische Zwillinge: Zum einen werteten die Wissenschaftler eine Studie zur kognitiven Gesundheit aus, und zum anderen eine Erhebung aus dem Jahr 1967, die sich auch mit dem Freizeitverhalten der Zwillinge beschäftigte. Dabei wurden die Zwillinge unter anderem gefragt, was in ihren ersten 40 Lebensjahren ihre wichtigsten Freizeitaktivitäten waren.
Diese Aktivitäten waren in elf Gruppen unterteilt. Dazu gehörten zum Beispiel Haus und Garten, Lesen, Sport oder kulturelle Aktivitäten. In späteren Jahren (da waren sie durchschnittlich 83 Jahre alt) wurden die Zwillinge mehrmals kognitiven Tests unterzogen.
Als die schwedischen Forscher diese Daten nun auswerteten, stellten sie fest, dass Männer und Frauen zwar im Schnitt die gleichen Aktivitätslevel hatten, allerdings in ganz unterschiedlichen Bereichen. So verbrachten Frauen einen größeren Teil ihrer Freizeit zu Hause, während Männer vor allem in den Bereichen der Weiterbildung und Selbstverbesserung (Vereinstätigkeiten und Organisationen, Studium, Sport oder Outdoor-Aktivtäten) auffielen.
Doch auch der Einfluss ihres Freizeitverhaltens auf ihre kognitiven Tests im Alter unterschied sich. Für Männer galt: Nur ein höheres Engagement in Bereichen der Weiterbildung und Selbstverbesserung wirkte sich signifikant auf die verbalen Fähigkeiten und die Schnelligkeit aus.
Für Frauen dagegen zeigte sich eine bessere Leistung bei verbalen Fähigkeit und der Gedächtnisleistung bei intellektuellen, kulturelle Aktivitäten. Verbrachten die Frauen ihre Zeit dagegen vor allem zu Hause, litt später das Gedächtnis und auch die Fähigkeiten für räumliches Verstellungsvermögen nahmen besonders schnell ab.
Dass Selbstverbesserung und Weiterbildung für Frauen nicht den gleichen Effekt wie für Männer hatte, überraschte die Forscher. Sie gehen jedoch davon aus, dass das Ergebnis durch eine statistische Schwäche zustande gekommen ist: Da zu dieser Zeit nur sehr wenige Frauen ihre Freizeit mit Vereinstätigkeiten, Sport, dem Studium oder Outdoor-Aktivitäten verbrachten, ließ sich ein Effekt nicht nachweisen.
Bevor man den Einzelergebnissen der Studie jedoch zu viel Gewicht beimisst, geben die Autoren zu bedenken, dass die Aktivitätsberichte aus dem vergangen Jahrhundert stammen und nicht notwendigerweise die Männer und Frauen von heute wiederspiegeln. Insgesamt lassen die Ergebnisse jedoch vermuten, dass sich nicht alle Freizeitaktivitäten auf den geistigen Verfall auswirken. Außerdem scheint es zwischen Männern und Frauen in diesem Bereich Unterschiede zu geben, die Wissenschaftler bei zukünftigen Studien beachten sollten.
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