Eine Diagnose kommt selten alleine

01. Apr 2018

Doppelt und dreifach krank – einige chronische Leiden treten oft zusammen auf. Ob das Erbgut dahinter steckt, haben nun Wissenschaftler unter anderem an Zwillingen untersucht.

Sie gehören zu den mächtigsten Krankheiten. Einer von fünf Menschen in Europa hat mit chronischen Schmerzen zu kämpfen, jeder 15. leidet in diesem Jahr an einer schweren Depression und mehr als die Hälfte aller Todesfälle in der EU geht auf Herz-Kreislaufkrankheiten zurück. Schon für sich genommen also, sorgt jede dieser Erkrankungen für viel Leid. Doch wie sich zeigt, treten gerade diese Krankheiten oft sogar zusammen auf.

Warum das so ist, können Wissenschaftler bisher nur in Teilen beantworten. Bekannt ist: Alter, Geschlecht und soziales Umfeld können die Wahrscheinlichkeit, an einer oder mehreren chronischen Krankheiten zu leiden, in die Höhe treiben. Was aber ist mit anderen Faktoren? Wissenschaftler von der University of Dundee, der University of Oxford und dem King’s College London haben nun herausgefunden, dass auch die Gene daran beteiligt sind.

Für ihre Untersuchung (1) arbeiteten die Forscher mit zwei große Kohorten: Der Generation Scotland mit seinen über 24.000 Teilnehmern und außerdem mit fast 3000 weiblichen Zwillingen der TwinsUK-Gruppe. In der schottischen Kohorte schauten sich die Wissenschaftler zuerst an, wie häufig chronische Schmerzen, Depressionen und Herzbeschwerden bei den Probanden einzeln oder zusammen auftreten. Anschließend verglichen sie die Daten mit den Ergebnissen von Geschwistern. Dabei versuchten sie Faktoren herauszurechnen, die das Ergebnis beeinflussen könnten. Dazu zählten das Alter, Geschlecht, Bildung, oder die Tatsache, dass jemand viel raucht.

Das Ergebnis der Forscher: Wer aus der Generation Scotland an einer der drei Krankheiten litt, besaß auch ein größeres Risiko für eine oder beide anderen Erkrankungen. Menschen mit Depressionen waren in der Studie mehr als doppelt so anfällig für chronische Schmerzen als Menschen ohne Depressionen. Für Menschen mit Angia Pectoris vervierfachte sich das Risiko sogar. Und wer sowohl an Depressionen wie auch Herzbeschwerden erkrankt war, litt mit neunmal so hoher Wahrscheinlichkeit an chronischen Schmerzen.

Außerdem litten die Geschwister von Patienten mit einer der Krankheiten mit größerer Wahrscheinlichkeit an einer der anderen beiden Krankheiten als nicht verwandte Personen. Hatte etwa der eigene Bruder oder die Schwester Herzbeschwerden oder Depressionen, erhöhte sich das eigene Risiko für chronische Schmerzen. Das Ergebnis blieb auch dann noch signifikant als die Forscher die Ergebnisse in Hinblick auf das Alter der Probanden und ihrem sozialen Umfeld hin prüften. Das spricht für einen starken Einfluss der Gene.

Mit Hilfe der TwinUK-Daten untersuchten die Wissenschaftler nun auch an Zwillingen, welche Rolle das Erbgut spielt. Dazu verglichen die Forscher eineiige und zweieiige Geschwister miteinander. Denn das Erbgut von eineiigen Zwillingen gleicht sich im Gegensatz zu dem von zweieinigen zu fast 100 Prozent. Tatsächlich bestätigten die Daten der Forscher, dass die Gene dazu beitragen, dass chronische Schmerzen in Zwillingen so oft zusammen mit Herzkrankheiten auftreten. Der Vergleich der Zwillinge zeigt aber auch, dass dafür außerdem noch Umwelt-Einflüsse verantwortlich sein müssen. Und zwar wohl solche, die sich die Zwillinge teilen, das familiäre Umfeld zum Beispiel, sowie Faktoren und Erfahrungen, die nur Einfluss auf einen der Zwillinge haben.

Für Blair Smith, Professor für Bevölkerungswissenschaften an der Dundee’s School of Medicine rütteln die Ergebnisse an dem bisherigen Bild von chronischen Krankheiten. „Sie zeigen zum ersten Mal, dass Gene nicht nur wichtig sind, um das Risiko für chronische Krankheiten zu bestimmen, sondern auch für das gleichzeitige Auftreten von anderen Beeinträchtigungen“ (2). Ihre Ergebnisse würden darauf hinweisen, dass sich diese und vielleicht auch andere chronische Krankheiten biologische Ursachen teilen.

In weiteren Untersuchungen müsse man nun versuchen müssen, jene Gene ausfindig zu machen, die dafür verantwortlich sind.

Copyright © 2016-2017 Nicole Simon / Paul Enck. Alle Rechte vorbehalten.


Quellen:

1. van Hecke, Hocking LJ, Torrance N, Campbell A, Padmanabhan S, Porteous DJ, McIntosh AM, Burri AV, Tanaka H, Williams FM, Smith BH. Chronic pain, depression and cardiovascular disease linked through a shared genetic predisposition: Analysis of a family-based cohort and twin study. PLoS One. 2017 Feb 22;12(2):e0170653. doi: 10.1371/journal.pone.0170653. PubMed
2. http://medicine.dundee.ac.uk/news/research-suggests-new-model-chronic-disease


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