Forscher haben an Zwillingen untersucht, welchen Einfluss das Bewegungsverhalten auf die Entstehung von dauerhaften Rückenschmerzen hat. Mit erstaunlichem Ergebnis.
Früher oder später erwischt es fast jeden. Rückenschmerzen sind und bleiben in Deutschland ein Volksleiden. Die Bertelsmann Stiftung (1) hat in einer Studie festgestellt: Jeder fünfte gesetzlich Versicherte geht mindestens einmal im Jahr wegen Rückenschmerzen zum Arzt, 27 Prozent davon suchen sogar vier Mal oder öfter einen Arzt auf. Die gute Nachricht ist: Die meisten Rückenschmerzen nicht von ernsthaften Leiden wie Tumoren oder zerstörten Wirbelkörpern verursacht und gehören spätestens nach ein paar Wochen der Vergangenheit an. Bei einigen Menschen jedoch bleiben die Schmerzen, obwohl die Ursache längst verschwunden ist, die Verspannung gelöst, der Nerv entlastet.
Sitzen und Inaktivität gelten als Risikofaktor für die Entstehung von Rückenschmerzen. Forscher aus Australien und Spanien glauben jedoch, dass sein Einfluss bislang vielleicht überschätzt worden ist. Immer wieder haben Untersuchungen einen Zusammenhang zwischen Inaktivität und Rückenschmerzen gefunden. 2008 etwa zeigte der Schwede Björck-von Dijken in einer Studie an 5798 Menschen (2), dass Rückenschmerzen häufiger bei jenen auftraten, die in ihrer Freizeit wenig aktiv waren. Auf der anderen Seite scheint das Sitzen bei der Arbeit weniger Einfluss zu haben, als viele annehmen. So schreibt etwa das Robert-Koch-Institut: „Entgegen einem weit verbreiteten Vorurteil scheint eine überwiegend sitzende Tätigkeit kein nennenswertes Risiko für Rückenschmerzen zu beinhalten.“ (3)
Die Forscher um Anita Amorim haben für ihre Studie (4) nun Zwillinge ausgewählt. Denn Zwillingsstudien haben den Vorteil, dass man mit ihnen auch herausfinden kann, wie groß der Einfluss der Gene und von ganz frühen Erfahrungen auf ein Merkmal wie die Rückenschmerzen ist. Denn Untersuchungen zufolge könnte die Vererbbarkeit von Schmerzen im unteren Rücken bei über 60 Prozent liegen. Will man also verstehen, wie wichtig die tägliche Aktivität für die Entstehung von Rückenschmerzen ist, muss man den Einfluss der Gene ausklammern können.
Mehr als 2000 eineiige und zweieiige Zwillinge haben die Forscher zwischen 2009 und 2013 mehrmals befragt. Insgesamt 38 Prozent der Zwillinge berichteten, in ihrem Leben schon einmal an andauernden Rückenschmerzen gelitten zu haben. Außerdem gaben 58 Prozent an, sich nur wenig zu bewegen. Bei 22 Prozent der Zwillinge traten dauerhafte Schmerzen erst im Laufe der Studie auf. Als die Forscher die Daten der unterschiedlichen Zwillinge anschließend miteinander verglichen, stellten sie fest, dass ein inaktiver Lebensstil nur bei Frauen, nicht aber bei Männern mit Rückenschmerzen zusammenhing. Doch auch wenn Frauen, die sich wenig bewegten, häufiger von Schmerzen im unteren Rücken berichteten, war der Zusammenhang nicht mehr so offensichtlich, als die Forscher den Einfluss der Gene und frühen Erfahrungen herausrechneten. Daher vermuten die Wissenschaftler, dass diese Faktoren den Zusammenhang zwischen Bewegung und Rückenschmerzen deutlich mit beeinflussen. So scheint es auch von den Genen abzuhängen, wie sich das eigene Bewegungsverhalten auf die Entwicklung von Rückenschmerzen auswirkt.
Allerdings mahnen die Forscher, man solle nicht zu viel in ihre Ergebnisse hineininterpretieren. Schließlich müssten noch weitere, größere Studien die Resultate bestätigen. Trotzdem könne es sein, dass man beim Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und Rückenschmerzen bislang zu wenig auf den Einfluss der Gene geschaut hat.
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