Macht schlechter Schlaf dick?

15. Feb 2018

Immer wieder zeigen Studien, dass Menschen, die schlecht schlafen, häufiger übergewichtig sind. Eine spanische Studie hat nun an Zwillingen untersucht, was dahinter steckt.

Ein Herr von Schlaflosen läuft durch die Welt, getrieben von Weckern, Fristen, Telefonkonferenzen und grellen Licht, wohin man nur schaut. Die durchschnittliche Schlafdauer hat sich in den letzten 100 Jahren um mindestens 1,5 Stunden verkürzt. Der größte Feind des Schlafes ist die Anspannung. Eine seiner Folgen könnte Übergewicht sein, wie sich nun erneut zeigte.

Dass Menschen, die schlecht oder zu wenig schlafen, häufig auch mehr zu tragen haben,  zeigt sich seit Jahren in Studien. Forscher um Jean-Philippe Chaput von der Laval-Universität in Quebec etwa berichteten 2008 im Fachmagazin "Sleep“, dass Kurzschläfer ein um 27 Prozent höheres Risiko hatten, in den 6 Jahren der Studie fünf Kilo zuzunehmen als Normalschläfer (1). Ähnliche Untersuchungen gibt es viele. Allerdings handelt es sich dabei, das muss man sagen, allein um einen statistischen Zusammenhang. Ob Übergewicht eine direkte Folge des Schlafmangels ist, das lässt mit so einer Untersuchung nicht zeigen. Und womöglich gibt es auch andere Faktoren, die sowohl die Schlafdefizite wie auch das übermäßige Essen oder den geringeren Kalorienverbrauch befördern. Um etwas mehr Licht in dieses Dickicht zu bekommen, haben die spanischen Forscher um Juan R. Ordonana nun mit eineiigen und zweieiigen Zwillingen gearbeitet (2).

2150 Zwillinge, die zwischen 1939 und 1966 geboren wurden, untersuchten die Wissenschaftler. Sie wollten nicht nur von Ihnen wissen, wie gut sie schliefen oder was ihre Waage anzeigte, sie fragten sie auch, wie viel sie sich bewegten, ob sie rauchten, sich ängstlich oder depressiv fühlten. Denn alle diese Faktoren könnten sich auf das Ergebnis der Studie auswirken. Wie zu erwarten, sahen die Forscher zunächst einmal einen starken Zusammenhang zwischen dem Schlaf der Zwillinge und ihrem Body-Maß-Index (BMI), dem Maß für das Gewicht in Abhängigkeit von der Körpergröße.

Anschließend jedoch schauten sie sich Geschwisterpaare an, die sich entweder in ihrem BMI unterschieden oder ihrer Schlafqualität. Die Verbindung zwischen Schlaf und BMI war nur dann stark, wenn die Forscher Geschwisterpaare auswählten, die sich in ihrem Gewicht unterschieden. Das änderte sich auch nicht, als sie bei ihnen genetische Faktoren oder frühe Umwelteinflüsse aus der Kindheit herausrechneten.  Betrachteten die Wissenschaftler dagegen Zwillingsgeschwister, die unterschiedlich gut schliefen, veränderte sich das Bild. Jetzt schien der BMI die Schlafqualität nicht weiter zu beeinflussen. Die Ergebnisse unterstützen daher die Vermutung, dass die Schlafqualität den BMI beeinflusst und nicht umgekehrt. „Je schlechter der Schlaf, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit für einen erhöhten BMI", schreiben die Wissenschaftler im Fachmagazin Journal of Sleep Research. Genetische Ursachen scheinen dabei keine Rolle zu spielen, denn sie Ergebnisse von eineiigen und zweieiigen Zwillingen unterschieden sich nicht maßgeblich.

Ein Beweis für einen kausalen Zusammenhang ist zwar auch diese Studie nicht, aber sie erhärtet erneut den Verdacht, dass es der Schlafmangel selbst ist, der das Gewicht ansteigen lässt. Was dabei im Körper passiert, dazu haben Wissenschaftler verschiedene Theorien. Zum einen schaltet fährt ein unausgeschlafener Körper die Körpertemperatur herunter und ist weniger aktiv. Damit sinkt auch der Grundumsatz, also die Menge an Kalorien, die er normalerweise in Ruhe verbrennt. Außerdem sendet das übermüdete Gehirn Hungersignale aus. Wenig Schlaf senkt die Leptin- und erhöht die Ghrelinkonzentration, so steigt der Appetit. Einige Forscher vermuten zudem, dass auch eine Veränderung der Darmbakterien das Gewicht der Schlecht-Schläfer in die Höhe treiben könnte. Das müssen sie nun in weiteren Studien untersuchen.

Copyright © 2016-2017 Nicole Simon / Paul Enck. Alle Rechte vorbehalten.


Quellen:

1. Chaput JP, Després JP, Bouchard C, Tremblay A. The association between sleep duration and weight gain in adults: a 6-year prospective study from the Quebec Family Study. Sleep. 2008 Apr;31(4):517-23. PubMed
2. Madrid-Valero JJ, Martínez-Selva JM, Ordoñana JR. Sleep quality and body mass index: a co-twin study. J Sleep Res. 2017 Aug;26(4):461-467. doi: 10.1111/jsr.12493. PubMed


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