Wissenschaftler haben eine Verbindung zwischen Einsamkeit und Schlafstörungen bei Jugendlichen gefunden. Vor allem eine Gruppe war gefährdet.
Der Mensch ist ein soziales Wesen. Ist er einsam, fühlt sich das nicht nur schlecht an, dann leidet auch seine Gesundheit. Einsamkeit, das wurde in verschiedenen Studien gezeigt, kann zum Beispiel mit Bluthochdruck, Depressionen oder Gewichtsproblemen einhergehen. Die meisten solcher Erscheinungen haben Forscher jedoch vor allem bei älteren Menschen beobachtet. Wie stark die Zusammenhänge bei jungen Menschen sind, ist weniger gut untersucht.
Dabei ist bekannt, dass das Gefühl von Einsamkeit gerade bei jungen Menschen keine Seltenheit ist. Nach einem Bericht der Mental Health Foundation (1) ist Einsamkeit bei Menschen zwischen 18 und 34 Jahren sogar am meisten verbreitet. Londoner Wissenschaftler haben nun auch bei Jugendlichen eine Verbindung aufgedeckt: einsame junge Menschen litten nach der Studie, die im Fachblatt Psychological Medicine (2) erschienen ist, etwas häufiger an Schlafproblemen als Gleichaltrige die sich nicht einsam wähnten.
Mit Einsamkeit meinen die Wissenschaftler nicht Alleinsein. Denn auch Menschen, die nur vergleichsweise wenig Kontakt zu anderen haben, können glücklich und zufrieden sein. Umgekehrt fühlen sich manche Menschen einsam, obwohl sie eigentlich von vielen Menschen umgeben sind. Mit Einsamkeit meinen die Forscher dieses belastende Gefühl, von der Welt verlassen und ungeliebt zu sein. Und selbst wenn man so etwas wie ein Sozialleben hat, so fühlt sich das unzureichend und wenig erfüllend ist.
Um herauszufinden, welchen Einfluss dieses Gefühl auf die Nachtruhe von jungen Menschen hat, wollten die Wissenschaftler des Londoner Kings Collage bei 2232 Zwillingen im Alter zwischen 18 und 19 Jahren in Interviews und Fragebögen wissen: Wie häufig fehlt dir Gesellschaft mit anderen? Wie oft fühlst du dich ausgegrenzt oder allein gelassen? Wie häufig von anderen isoliert? Und schließlich: Wie oft fühlst du dich allein? Zusätzlich kontrollierten die Wissenschaftler die Schlafqualität ihrer Probanden über einen Zeitraum von einem Monat. Sie interessierte zum Beispiel, wie lange es dauert, bis die Probanden einschlafen, wie lange sie schlafen, wie häufig sie aufwachen und wie erholt sie sich am nächsten Tag fühlen.
Etwas mehr als ein Viertel der Probanden gab an, sich manchmal einsam zu fühlen. Weitere fünf Prozent fühlten sich regelmäßig ziemlich allein. Die einsamen Jugendlichen hatten ein um 24 Prozent höheres Risiko für Müdigkeit und Konzentrations-schwierigkeiten während des Tages als die Zwillinge, die sich eher nicht einsam fühlten. Der Zusammenhang bestand auch dann noch, als die Wissenschaftler psychische Krankheiten wie Depressionen oder Ängste herausrechneten, weil diese Leiden oft mit Schlafstörungen einhergehen. Professor Louise Arseneault vom Institut für Psychiatrie, Psychologie und Neurowissenschaften (IoPPN) am King’s College London sagte dazu: „Eine verminderte Schlaf-Qualität ist eine von vielen Möglichkeiten, wie Einsamkeit unter die Haut geht.“ Da an der Studie auch etliche eineiige Zwillinge teilnahmen, deren Erbgut naturgemäß fast identisch ist, konnten die Wissenschaftler auch überprüfen, welche Rolle die Gene dabei spielen. Das Erbgut, so zeigt die Untersuchung scheint hier jedoch wahrscheinlich nicht der Übeltäter zu sein.
Eine mögliche Erklärung für den Zusammenhang ist für die Wissenschaftler vielmehr, dass sich einsame Menschen weniger sicher fühlen. Wer von seiner sozialen Gruppe getrennt wird, ist schließlich schon rein evolutionär eine leichtere Beute. Dieses gefühlte Unbehagen führt womöglich zu einer Stressreaktion, die den Schlaf stört. Aus früheren Arbeiten (3) etwa gibt es Hinweise, dass Einsamkeit mit einer veränderten Menge an zirkulierendem Kortisol einhergeht, einem wichtigen Spieler im körpereigenen Stress-System. Bereits erlebte Gewalt könnte diesen Zusammenhang noch verstärken.
Die Wissenschaftler prüften daher, wer von den Probanden schon einmal Erfahrungen mit Gewalt oder Missbrauch durch Familienmitglieder oder Gleichaltrige gemacht hat. Tatsächlich zeigte sich, dass die Verbindung von Schlafstörungen und Einsamkeit deutlich stärker bei Probanden war, die besonders schwere Formen von Gewalt und Missbrauch erlebt haben. „Es ist wichtig sich klarzumachen, dass Einsamkeit in einigen Menschen mit bereits bestehenden Verwundbarkeiten interagiert“, sagte Timothy Matthews vom IoPPN am King’s College London. „Diese Menschen sollten auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Unterstützung bekommen.“ Zumindest, wenn andere Studien diese ersten Hinweise der Wissenschaftler bestätigen können.
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