Kiffen macht doch nicht dumm

01. Okt 2017

Immer wieder heißt es, dass Kiffen den IQ senken könnte. Eine Studie an Zwillingen hält nun dagegen. Die Intelligenz leidet danach unter etwas ganz anderem.

Die Jugend ist für das Gehirn eine empfindliche Phase. Neue Nervenverbindungen entstehen, andere werden abgebaut. Wer in dieser Zeit kiffe, riskiere seine Intelligenz, glauben viele. Aber stimmt das auch? Eine Studie an Zwillingen nährt nun erneut Zweifel an dieser These. US-amerikanische Forscher glauben, dass nicht Cannabis hinter den sinkenden IQ-Punkten steckt.

In der Vergangenheit haben verschiedene Studien zwar einen Zusammenhang zwischen einem sinkenden Intelligenzquotienten (IQ) und einem hohen Cannabiskonsum in der Jugend hergestellt. Das Problem bei solchen Untersuchungen ist jedoch: Die Wissenschaftler können nur beobachten. Sie stellen vielleicht fest, dass Menschen nachdem sie einige Jahre gekifft haben, ein paar IQ-Punkte verloren haben, ob das Kiffen jedoch die Ursache dafür ist, lässt sich nicht eindeutig feststellen. Denn die menschliche Intelligenz wird von vielen Faktoren beeinflusst, dem Umfeld, der Erziehung, Krankheiten, bis hin zu den Genen.

Zwillingsstudien haben den Vorteil, dass sie das Risiko von solchen Verzerrungen kleiner halten können. Denn Zwillinge wachsen meist gemeinsam auf, teilen sich nicht nur die Gene (50 Prozent bei zweieiigen, 100 Prozent bei eineiigen), sondern auch viele äußere Einflüsse. Wissenschaftler von verschiedenen US-amerikanischen Universitäten analysierten daher erneut zwei ältere Untersuchungen mit insgesamt mehr als 3000 Zwillingen zu diesem Thema.

In beiden Studien wurde der IQ der Zwillinge in einem Alter zwischen 9 -12 Jahren das erste Mal gemessen und einige weitere Male im Verlauf der folgenden Jahre. Die Wissenschaftler um Nicholas Jackson interessierten sich zudem für ihren Sprachgebrauch und ihr Allgemeinwissen. Zusätzlich mussten die Zwillinge Angaben darüber machen ob und wie häufig sie Cannabis rauchten, sich betranken oder andere Drogen nahmen.

Zum Schluss schauten sich die Forscher noch die Daten von rund 300 Zwillingspaaren an, bei denen einer der beiden noch nie Cannabis geraucht hat, der andere jedoch entweder häufiger als 30 Mal oder täglich über einen Zeitraum von mindestens einem halben Jahr.

Tatsächlich schrumpfte der IQ der Kiffer innerhalb eines Jahrzehnts um durchschnittlich etwa vier Punkte. Allerdings beobachteten die Forscher in der Studie (1) den gleichen Effekt bei den Geschwistern der Zwillinge, die nie Cannabis geraucht hatten. Es scheint also etwas anderes als der Cannabiskonsum zu sein, das sich auf die Intelligenz diese Jugendlichen auswirkt. Die Wissenschaftler glauben, dass dieses „Etwas“ in Verbindung steht mit der gemeinsamen Umgebung der Zwillinge, Ihrem Zuhause, ihrer Schule oder ihren Freunden.

Die kiffenden Zwillinge schnitten zudem bei Vokabeltests und im Bereich Allgemeinwissen schlechter ab. Die Ergebnisse waren wie bei der Intelligenz auch aber unabhängig davon, wie häufig oder viel die Jugendlichten Cannabis rauchten. Auch das spricht dafür, dass hier ein weiterer Faktor im Spiel ist. Wäre Cannabis giftig für die Nervenzellen und damit die Ursache für das schlechte Abschneiden der Jugendlichen, so müssten die Ergebnisse davon abhängig sein, wie viel sie rauchten. Das aber zeigten die Daten nicht. Auch die Jugendlichen, die täglich kifften, schnitten nicht schlechter ab. Die Wissenschaftler vermuten daher, dass es genau anders herum ist: Kinder, die in der Schule keine Erfolge erbringen, sind vielleicht eher geneigt, Cannabis auszuprobieren. Aber auch das muss noch überprüft werden.

Entwarnung kann diese Studie jedoch nicht geben. Sie hat nicht untersucht, was bei einem extrem hohen Konsum passiert, bei einer Abhängigkeit von Cannabis oder wenn Menschen über sehr viele Jahre rauchen. Vielleicht wirkt sich Kiffen auf andere Bereiche aus, wie das Gedächtnis oder die Konzentration aus. Antworten auf diese Fragen dürften bei der Entscheidung für oder gegen eine Legalisierung noch eine große Rolle spielen.

Copyright © 2016-2017 Nicole Simon / Paul Enck. Alle Rechte vorbehalten.
Foto: Fotolia.com, yellow


Quellen:

1. Jackson NJ, Isen JD, Khoddam R, Irons D, Tuvblad C, Iacono WG, McGue M, Raine A, Baker LA. Impact of adolescent marijuana use on intelligence: Results from two longitudinal twin studies. Proc Natl Acad Sci U S A. 2016 Feb 2;113(5):E500-8. doi: 10.1073/pnas.1516648113. [PubMed]


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